• Kostprobe: Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens
    Dec 17 2025
    Warum fällt mir bei der Suche eines Titels für diese Kostprobe ausgerechnet dieses Gedicht von Rilke ein? Vielleicht weil er zusammen mit Jan Wagner vor kurzem die wunderbare Anthologie „Tanzt die Orange“ herausgegeben hat, in der 75 der besten deutschen Lyriker und Lyrikerinnen auf ein Rilke-Gedicht mit einem eigenen Gedicht reagieren und so einen literarischen Dialog inszenieren. Ein freies poetisches Karaoke zu Rilkes 150. Geburtstag, sozusagen. Vielleicht aber auch, weil das brüchige Lebensgefühl dieses Rilke-Gedichts, den neuen Gedichten von Norbert Hummelt sehr nahe kommt. Auch sie sind geprägt, von dem Gefühl der Brüchigkeit unseres Weltempfindens, einem Gefühl der Verletzlichkeit und Ausgesetztsein – wie es der Klappentext des neuen Gedichtbands formuliert: „Neue Gedichte von Norbert Hummelt, einem der bedeutendsten Lyriker unserer Zeit. Hummelt erkundet Momente, in denen sich die Verletzlichkeit von Beziehungen und unserer Welt als solcher offenbart. Autor ausgezeichnet mit dem Hölty-Preis, Deutschlands höchstdotiertem Lyrikpreis. Jeden kann es treffen, von jetzt auf gleich, dass Sicherheiten brüchig werden und kein Geländer in Reichweite ist, zumal in Berlin, der „wimmelnden stadt, stadt voller träume, wo am hellichten tag das gespenst den passanten bedrängt“. Eindringlich spüren die neuen Gedichte von Norbert Hummelt dem Gefühl nach, ausgesetzt zu sein. Sie erkunden Momente, in denen sich die Verletzlichkeit unseres Lebens offenbart. In der Ablösung zwischen Vater und Tochter, den Erinnerungen an die Eltern, der Gefährdung der Natur. Es sind Verse, die aus einem weiten literarischen Hallraum kommen, von Dante bis zu Pound und Eliot. Verse, die uns zum Nachdenken bringen und die Norbert Hummelt zugleich mit einer fühlbaren Leichtigkeit meistert. Und am Ende scheint gar eine neue Liebe als utopischer Ort auf, „können wir uns hierher flüchten, wo die hagebutten leuchten u. / die dohlenvögel kreisen?“ Norbert Hummelt wurde 1962 in Neuss geboren, wo er auch aufwuchs. In Köln hat er studiert und lange gelebt und gearbeitet. Und er wird, auch wenn er sehr bald zu ganz eigenständigen Formen gefunden hat, vielfach der „Kölner Schule“ zugerechnet, zu der z.B. Rolf Dieter Brinkmann, Marcel Beyer, Thomas Kling u.a. gezählt werden. Seit 2006 lebt Norbert Hummelt in Berlin, das auch Schauplatz etlicher dieser neuen Gedichte ist, die zwischen Mai 2018 und Mai 2024 entstanden. Norbert Hummelt hat 10 Gedichtbände und zwei essayistische Bücher ,Übersetzungen u.a. von Inger Christensen und T.S. Eliot veröffentlicht, Anthologien u.a. poetische Sammlungen herausgegeben und viele Beiträge und Features in Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunk publiziert. In diesem Extra in Podcastliteratur.de liest Norbert Hummelt Gedichte aus seinem neuen Band „Hellichter Tag“, der im November 2025 im Luchterhand Verlag erschien und verbindet sie mit knappen Erläuterungen zu ihrer Entstehung.
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    24 min
  • Extra: Natur als Quelle der Freiheit
    Dec 1 2025
    Es war der Dummheit und der Ignoranz unserer Lehrer geschuldet, dass wir in der Schulzeit unserer Generation, die Ende der Sechziger/Anfang der Siebziger Jahre Abitur machten, kein Wort, noch nicht einmal den Namen jenes Mannes gehört hatten, der 1772 mit Captain Cook die Welt umrundet hatte. Da war er gerade mal Siebzehn. Der mit seinen verständnisvollen, schon vor 250 Jahren ganz ohne eurozentristische, ohne imperiale und rassistische Beschreibungen fremder Völker die Ethnologie begründete. Der als Naturwissenschaftler Länder und Meere, Tiere und Pflanzen erstmals beschrieb und zum Wegbegleiter, Freund und Inspirator Humboldts wurde. Der mit den lebendigen, anschaulichen und bildstarken Beschreibungen seines Stils die moderne Reiseliteratur begründet hat. Der 1792 maßgeblich an der Gründung der Mainzer Republik beteiligt und Vize-Präsident der provisorischen Verwaltung war; der als Abgeordneter des ersten demokratischen Parlaments in Deutschland nach Paris reiste, um die Angliederung der ersten deutschen Republik an das Frankreich der französischen Revolution zu betreiben, der bis zu seinem frühen Tod 1794 in Paris überzeugter Jakobiner und Revolutionär blieb. (Ach so, daher wehte der Wind! Weshalb er in der BRD nicht auf den Lehrplänen stand und erst ab Mitte der Siebziger Jahre ganz langsam wiederentdeckt wurde). Im Frühjahr 1790, also vor 235 Jahren, unternahm Georg Forster mit dem jungen Alexander von Humboldt eine große Reise, die ins Rheinland, in die Österreichischen Niederlande, nach Holland, England und Paris führte. 1794 erschien das dreibändige Buch über diese Reise unter dem Titel „Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Juni 1790“. Daraus lese ich Ihnen die Passagen vor, die im heutigen Rheinland-Pfalz spielen. Umfangreiche Informationen zur Biographie und zu den Werken von Georg Forster finden sie bei: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/biographien/forster-georg.html (aus: Institut für Geschichtliche Landeskunde Rheinland-Pfalz e.V.)
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    33 min
  • Folge 59: Wie man aus Elefanten eine Mücke macht und Lavinia vom 25. Stock aus durch Lüfte und Lüste laviert
    Dec 1 2025
    Dagmar Leupold (*1955 in Lahnstein) ist eine wichtige und produktive Schriftstellerin des Landes, die schon sehr lange in München lebt und zuvor viele Jahre in Italien und New York verbracht hat. Und deshalb, denke ich, hierzulande weniger wahrgenommen wird als dies unbedingt notwendig wäre. Sie hat nicht nur 12 Romane und fünf Gedichtbände geschrieben, sondern auch zahlreiche essayistische und poetologische Beiträge. Und sie ist Übersetzerin aus dem Englischen und Italienischen. U.a. hat sie die Gedichte von Cesare Pavese übertragen. Darüber hinaus ist sie auch eine wichtige Akteurin im literarischen Leben der BRD: Sie war Geschäftsführerin des Deutschen Literaturfonds, hat 17 Jahre lang das „Studio Literatur und Theater an der Universität Tübingen“ und viele Literaturwerkstätten geleitet und Lehraufträge und Dozenturen in Deutschland, Österreich und den USA inne gehabt. Dagmar Leupold – Lavinia Der Countdown beginnt im 25. Stock eines Hochhauses in New York: Worauf Lavinia von dort aus zurückblickt, ist ein Leben, vor dessen Abgründen ihr selbst schwindelt. Wie im Sturz durch ihre Geschichte und die Zeiten erzählt sie von ihrem Aufwachsen und Frauwerden, ihren Lieben und Verlusten, von Verheerungen und Missbrauch, von Unterwerfung und ihrem Willen, sich zu behaupten. Tiefer und tiefer führt sie den Leser im Taumel des Erinnerns und im Sprachrausch des Erzählens zurück in die deutsche Provinz nach dem Krieg, in das unschuldige wie ungeschützte Glücksempfinden einer Kindheit, die in Erfahrungen von Gewalt endet, zu den versuchten Abbrüchen und Aufbrüchen eines Lebens, das sich bei allem Wanken immer wieder unbeugsam zeigt. Lavinia ist eine Selbst- und Weltbetrachtung voller Hingabe und Wut, bitter und zärtlich, schonungslos und empathisch. Ein Lob der Liebe und ein Bekenntnis zu Widerständigkeit. Ein Buch darüber, wie sich beides in Literatur verbinden kann zu einem Rettungsversuch in schwindelnder Höhe. Pressestimmen: „Lavinia“ Die Welt ist alles, was der Fall ist“, heißt es bei Wittgenstein. […] So viele Fragmente, Gedanken, Erfahrungen verbindet Dagmar Leupold in ihrem Roman. Humor, Wut und Zärtlichkeit wechseln sich rhythmisch ab. […] Mit „Lavinia“ gibt Dagmar Leupold einer empathischen, engagierten, kraftvoll fühlenden und klug denkenden Frau eine unvergessliche Stimme. Carsten Hueck, Ö1 Exlibris Die Geschichte Lavinias ist gleichzeitig eine Geschichte der Einverleibung der Weltgeschichte in einen Frauenkörper, […] auch das völlig ohne Pathos, ohne Selbstmitleid, dafür schonungslos, erzählt. […] Ein sehr kluger, ebenso fundierter wie weitreichender Kommentar zur metoo-Debatte. Elke Engelhardt, Fixpoetry Man kann diesen Roman auch als Beitrag zur „Me Too“-Debatte lesen. Das Fazit der Fallenden jedenfalls ist tragisch eindeutig: „Haut und Papier werden nie wieder geduldig sein.“ Antje Weber, Süddeutsche Zeitung Dagmar Leupolds hinreißende Sprache lässt ihren Sturz durch die Zeiten zur beherzten Erkundung weiblichen Lebens werden. Lore Kleinert, neue-buchtipps.de
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    42 min
  • Extra: Joseph-Breitbach-Preis für Frank Witzel
    Nov 11 2025
    Am 12. November 2025 wird Frank Witzel 70 Jahre alt. Sein größtes Geburtstagsgeschenk erhielt er allerdings schon im September: 50.000 Euro mit der Verleihung des Joseph-Breitbach-Preises in Koblenz. Denn von dort stammt der Schriftsteller, Publizist und Investor Joseph Breitbach (1903-1980). Frank Witzel wurde 1955 in Wiesbaden geboren und lebt in Offenbach und Berlin. Und er ist ein höchst vielfältiger Künstler: Schriftsteller, Musiker, Komponist und Zeichner. Er illustrierte und gestaltete seine eigenen Bücher und die anderer. Er ist ein klassisch ausgebildeter Musiker, der für seine Hörspiele die Musik selbst schreibt, aber auch andere Musikstück komponiert und das Libretto zu der Oper „Dora“ verfasst hat. Vor allem aber ist er Autor von Gedichtbänden, Romanen, Erzählungen, Tagebüchern und Genres, deren Mischformen zwischen Essay, Experiment, Betrachtung, politische, psychologische und philosophische Überlegungen in keine Schubladen passen. Das gilt auch für sein Hauptwerk, für das er 2015 den Deutschen Buchpreis erhielt: „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ ist ein 800 Seiten starkes Textkonvolut, „ ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt“, das durch viele literarischen Formen streunt: Erzählungen über das Erwachsenwerden eines Dreizehnjährigen in Wiesbaden, imaginierte Verhöre, Protokolle, innere Monologe, philosophische und psychologische Erörterungen, Action, Essay und Wahnvorstellungen. Eine „Mischung aus Wahn und Witz, formaler Wagemut und zeitgeschichtliche Panoramen…einzigartig in der deutschen Literatur, ein genialisches Sprachkunstwerk…ein großer Steinbruch, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia“. Und – möchte ich hinzufügen – ein Buch, das zu Unrecht als schwerer Lesestoff bezeichnet wird, sondern höchst vergnüglich herz- und hirnerhellend ist für alle die sich darauf einlassen. Daraus wird Frank Witzel im folgenden Extra lesen, nachdem ihn Mareike Gries in einem Interview zu Leben, Werk und Breitbach-Preis befragt hat.
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    40 min
  • Kostprobe: Die abwesenden Männer
    Nov 11 2025
    Der Roman beginnt 1989 in Bremerhaven. Hier ist das Mädchen Raisa mit ihrer Mutter Martha nach Jahren ziellosen Umherziehens endlich sesshaft geworden. Aus ihrer Perspektive wird der Roman erzählt. Aber was kann sie schon erzählen, wenn die Mutter beharrlich schweigt, auch verschweigt wer ihr Vater ist? Wenn sie ihr eigenes Schicksal so beharrlich verschweigt wie das der anderen Frauen in der Familie ? Bis sie eines Tages beginnt, Bruchstücke auf Zettel zu notieren, die sie in der Gartenmauer deponiert. Gedanken und Fragmente über sich und über die Geschichte von Großmutter und Urgroßmutter, Geschichten aus vier Generationen von Frauen. Durch die sich ein gemeinsames Muster zieht: Die Abwesenheit von Männern. Männer, die sie geliebt haben, die sie misshandelt haben, die verschollen sind, die fliehen mussten, die sie aus Scham verschwiegen haben. Raisa lebt allein mit ihrer Mutter Martha und das schon immer. An ihren Vater hat sie keine Erinnerungen. Ihr Name ist das Einzige, was sie von ihm bekommen hat – besser so, sagt Martha. Doch Raisa beginnt, Fragen zu stellen. Als der Nachbarsjunge Mat verschwindet, beginnt Martha zu erzählen. Von der Großmutter Dina. Von Lügen, die schützen, und Lügen, die in Gefahr bringen. Von der Liebe ihres Lebens und ihrem größten Verlust. Rabea Edel zeichnet in ihrem Buch die bewegende Lebensgeschichte ihrer Mutter und das Portrait einer Nachkriegsgeneration, die im Schatten der Gewalt und des Schweigens aufgewachsen ist. Sie erzählt von der Kraft der Liebe und von der Rückeroberung der eigenen Geschichte durch die Sprache. Ein Buch wie ein Kaleidoskop, das vor allem die Frauen in den Blick nimmt – und die weibliche Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Sie sind die Geister der Vergangenheit, die Geister von denen ihre Mutter nicht spricht, die Geister, nach denen die Tochter und Enkelin fragt. Es sind die Geister von Generationen, die geprägt sind von Verlusten und Traumata, von persönlichen aber auch von den Dramen der Geschichte der vergangenen hundert Jahre. Die individuellen Geschichten sind immer auch geprägt von der jeweiligen politisch-gesellschaftlichen Zeitgeschichte. Dies sind die Spuren, die Fragmente, die Erinnerungen, die Raisa in diesem Buch allmählich zutage fördert. Das mit seinen häufigen und spontanen Wechseln von Handlungen, Schauplätzen und Zeiten so komplex konstruiert ist, dass es die ungeteilte Aufmerksamkeit der Leserinnen verlangt. Wie bei einem Puzzle werden Motive, Strukturen und Erkenntnisse erst sichtbar, wenn die vielen Fragmente am Ende ein Gesamtbild sichtbar machen. In dieser Kostprobe stellt Leander Bauer das Buch vor und Autorin Rabea Edel liest zentrale Passagen.
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    29 min
  • Folge 58: Es war einmal in Kaiserslautern
    Nov 11 2025
    „Es war einmal in Kaiserslautern“ – so heißt ein Kapitel in Christian Barons Roman „Drei Schwestern“, der vor kurzem im Claassen Verlag erschienen ist. Es ist der dritte Band seiner Kaiserslautern-Trilogie, die in der Stadt und ihrer Umgebung spielt. Der erste Band, er hieß „Ein Mann seiner Klasse“, ist unmittelbar autobiografisch und schildert Kindheit und Aufwachsen des Protagonisten in einer Unterschichtfamilie in den 90er Jahren. Sie sind geprägt von Gewalt und Alkohol, aber auch von unverschuldeter Armut trotz Vollzeitarbeit, vergeblicher Hoffnung auf Besserung, von Scham über die Unzulänglichkeiten der Unterschichtzugehörigkeit und von schlecht verhohlener Verachtung und verlogenem Mitleid der Bessergestellten. Ein Buch, das Leben und Sterben der armen Leute in einem der reichsten Länder der Welt aus ihrer eigenen Perspektive so schonungslos, genau und einfühlsam beschreibt, wie dies zuvor jahrzehntelang kein anderer Roman der deutschen Literatur zustande gebracht hat. Der zweite Band mit dem Titel „Schön ist die Nacht“ spielt in den 70er Jahren und erzählt von den Großeltern, die selbst in den Jahren des Aufschwungs nicht zu Wohlstand gelangen können, von ihren Mühen und Widersprüchen zwischen Wohlanständigkeit und Kleinkriminalität, von ihren kleinen Freuden und großen Leiden unter Arbeitsbedingungen und Alkoholismus. Der neue, dritte Band „Drei Schwestern“ beschreibt wie sich die Eltern des Protagonisten des ersten Buches, der zu dieser Zeit in den 80er Jahren noch nicht geboren ist, kennen und lieben lernen; schildert also gewissermaßen die Vorgeschichte zum ersten Buch. Aus den wechselnden Perspektiven der drei Schwestern wird von ihren unterschiedlichen Sehnsüchten und Lebensentwürfen erzählt. Aber eben nicht, wie das die übergroße Mehrheit der aktuellen deutschen Literatur tut, unter weitgehender Ausblendung gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern im Gegenteil: Christian Barons erzählerischer Blick zeigt ständig die Umstände gesellschaftlicher Klassenverhältnisse und dass sie die eigentlichen Ursachen für die Situationen der Einzelnen sind. Anders gesagt: Das Private ist politisch! In Folge 58 von Podcastliteratur.de liest Christian Baron aus seinem neuen Buch und redet mit Theo Schneider über Inhalt, Form und Entstehung und gibt Auskunft über seine literarische Werkstatt. Drei Schwestern Unterschiedlicher könnten Mira, Juli und Ella kaum sein – und doch sind sie geeint in ihrer Sehnsucht nach jener großen Freiheit, die im Westdeutschland der Achtzigerjahre ein süßes Versprechen war. Mira ist sechzehn, da erleidet sie eine Totgeburt. Der Vater des Kindes ist fort, doch tröstet sie der schillernde Nachbarsjunge Ottes. Sie will ausbrechen aus den Zwängen des proletarischen Elternhauses, politisiert sich und träumt vom Dasein als Dichterin. Juli, die jüngste Schwester, beschützt und bevormundet Mira, die sich nicht abhängig machen soll von einem Mann. Erst recht nicht von Ottes, dem Juli nichts Gutes zutraut. Darüber vergisst sie jedoch, den eigenen Weg zu finden. Die große Schwester Ella hat einen sozialen Aufstieg durch Heirat hinter sich und wird durch die Probleme der Jüngeren in die Muster ihrer Vergangenheit katapultiert. Muss es Mira und Juli nicht gelingen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, wo doch scheinbar alles möglich ist? Zum Abschluss seiner Kaiserslauterer Trilogie erzählt Christian Baron von einer Welt, die Frauen alles verspricht, gegen deren unsichtbare Mauern die drei Schwestern aus „einfachen Verhältnissen“ in der Klassengesellschaft aber unablässig anrennen müssen. Ein zärtlicher Roman über Mut und Aufbruch, über das Fallen und Weitermachen – und immer wieder über die Hoffnung und die Liebe. Pressestimmen »Christian Baron offenbart sich als ein leidenschaftlicher Erzähler … Der Roman ist nicht nur Werkzeug, eine bittere Erkenntnis über linke Eliten des Landes oder die tatsächlichen Klassenverhältnisse zu kolportieren. Er lebt von flotten Dialogen, Idiolekten und Figuren, die im erzähl
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    1 h et 15 min
  • Extra: Himmelbrand
    Oct 9 2025
    Gerhard Tänzer wurde 1937 in Nordhausen am Harz geboren. 1955 siedelte er in die BRD über. In Göttingen studierte er Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Bis 2000 unterrichte er als Gymnasiallehrer in Saarlouis, wo er am 12. August 2025 starb. Ab 1970 veröffentlichte Gerhard Tänzer Gedichte in Zeitschriften und Anthologien, seit 1979 publizierte er elf Gedichtbände, drei Theaterstücke und zwei Hörspiele. Seine Erzählung „Himmelbrand“ mit Erinnerungen an Jugend und Kindheit ist Thema des folgenden Gesprächs mit Ralph Schock. Gerhard Tänzer Nach dem Schulabschluss in seiner Geburtsstadt siedelte Tänzer 1955 nach Westdeutschland über, da er in der DDR keinen Studienplatz erhielt. Von 1956 bis 1962 studierte er in Göttingen Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Danach war Tänzer zunächst einige Jahre im niedersächsischen Schuldienst tätig, von 1967 bis zu seiner Rente im Jahre 2000 arbeitete er als Lehrer an einem Gymnasium in Saarlouis. Tänzer debütierte 1979 als Lyriker („Hier und anderswo“), er verfasste später auch konkrete Poesie, Theaterstücke, Hörspiele und Erinnerungsbände, vor allem über seine Herkunft im Harz. 2003 schrieb er den Text des offiziellen Saarlandlieds.
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    53 min
  • Extra: Jedes Leben hat eine Sollbruchstelle
    Sep 24 2025
    So heißt es in einer Erzählung aus seiner ersten Buchveröffentlichung. „Mono“ ist der Titel des Bandes. Erschienen 2003 im C.H. Beck Verlag. Jörgs Sollbruchstelle lag am 19. September 2023 frühmorgens am Anleger der Rheinfähre in Ingelheim, wo er seit langem mit seiner Familie wohnte. Er war mit dem Fahrrad auf dem Weg zu seiner Arbeit in Wiesbaden. Plötzlicher Herztod. Der Rhein war sein Lethe. Das hat mir gerade seine Frau am Telefon erzählt. Eigentlich, denke ich, wäre das ein schöner Tod. Hätte es ein schöner Tod sein können, wenn er dreißig Jahre später gekommen wäre. Denn Jörg war am 19. September 2023 erst 53 Jahre alt. Irgendjemand hatte die Sollbruchstelle falsch eingebaut. Es ist entsetzlich. Erst vor einem Jahr habe ich zufällig davon erfahren. Wir waren gar nicht besonders gut miteinander bekannt, haben uns im Leben vielleicht zehn, fünfzehn Mal gesehen. Und fühlten uns doch auf eine seltsame Art sehr nahe. Vielleicht weil wir beide Hinterpfälzer sind, Indigene des gleichen verlorenen Clans aus den Wiesen und Wäldern an den Flüssen Lauter, Glan und Nahe, fortschrittliche Zurückgebliebene, avancierte Waldheinis, Dorfdödel, die auch in Frankfurt und New York noch nach Heu und Kartoffelpuffer müffeln, Nestflüchter, die sich nie entscheiden können, Gehen oder Bleiben. „Schwalbenherz, erbarme dich ihrer!“ möchte man den jungen Männern, Mädchen und Frauen wünschen, die in Jörg Matheis` Erzählung „Mono“ im Mittelpunkt stehen, in diesem anheimelnd trostlosen Dorf am Ende der Welt und am Anfang aller Lebensentwürfe. Diese Jungen und Mädchen, die schon gefunden haben, was es nicht mehr gibt, die ein wenig verloren und doch ganz bei sich sind, ein wenig fröhlich, ein wenig melancholisch, ein wenig verlassen und doch gelassen, ein wenig verstört und doch heimisch in ihrem alten Haus am Ufer des Flusses wohnen, die vom Leben in den großen Städten träumen, während sie längt leise ahnen, dass sie am Ufer des Glans bleiben werden. Immer wenn ich die Fahrwege am Glan entlang drifte, muss ich an Jörg Matheis denken. Und an diese Personen aus seiner wundervollen Erzählung „Mono“, die sein erstes Buch eröffnet und die ihm den Titel gegeben hat. Diese Erzählung „Mono“ lese ich Ihnen nun in diesem Extra in Podcastliteratur.de vor.
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    56 min